Emmy Noether (1882-1935)
"Die Algebra hat ein anderes Gesicht bekommen."

Göttingen 1915 bis 1919 - zu diesem Zeitabschnitt, der auch Emmy Noethers Habilitation umfasst, gibt es eine neue Veröffentlichung

Bereits 1913/14 hatte Emmy Noether ihren wissenschaftlichen und persönlichen Kontakt nach Göttingen intensiviert und 1915 luden sie dann die beiden Göttinger Mathematiker David Hilbert und Felix Klein, die damals beide gerade intensiv mit der Einsteinschen Relativitätstheorie beschäftigt waren und hofften, in diesem Zusammenhang von Emmy Noethers Kenntnissen in der Invariantentheorie profitieren zu können, nach Göttingen ein. Emmy Noether folgte der Einladung und zog Ende April 1915 nach Göttingen. Kurz nach Noethers Wechsel nach Göttingen hielt Anfang Juni 1915 Einstein dort sechs zweistündige Vorlesungen „Über Gravitation“. Dies hatte nicht nur zur Folge, dass sich Hilbert mit gesteigertem Elan in die Gravitationstheorie vertiefte und sich einen regelrechten Wettstreit mit Einstein bei der Aufstellung der Gravitationsgleichungen lieferte, sondern auch, dass Emmy Noether in diesen Konkurrenzkampf intensiv eingespannt wurde. So kam es, dass auch sie eine zentrale Rolle in von David Rowe  in einem Artikel aus dem Jahr 1999 so genannten „Göttinger Antwort“ auf die Allgemeine Relativitätstheorie spielte.

Mit ihrer Einladung hatten Hilbert und Klein Emmy Noether in Aussicht gestellt, dass sie sich in Göttingen würde habilitieren können. Sie hielten ihr Versprechen und leiteten das  Habilitationsverfahren für Emmy Noether im Juli 1915 ein. Es brauchte allerdings insgesamt drei Versuche, bis Emmy Noether im Mai 1919 endlich habilitiert werden  konnte. Habilitiert wurde sie mit ihrer 1918 erschienenen Arbeit zur Allgemeinen Relativitätstheorie, die die heute sog. Noether-Theoreme enthält.

 

Emmy Noether, wahrscheinlich um 1915.
 Dies ist ein bearbeiteter Ausschnitt.
Das Original ist leider stark verfleckt:

 

Dieses Foto stammt aus einem Album, das David Hilbert zu seinem 60. Geburtstag am 23. Januar 1922 geschenkt bekam und das Portraits aller seiner Schüler und Wissenschaftlerfreunde enthält (Handschriftenabteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Cod. Ms. Hilbert 754). Emmy Noether, deren am 13. Dezember 1921 kurz zuvor verstorbener Vater Max Noether darin ebenso vertreten war wie ihr Erlanger Lehrer und Freund Ernst Fischer (Fischer und Emmy Noether waren gemeinsam auf einer Seite abgebildet), hatte für diesen Zweck ein, wie ich finde, bemerkenswertes Foto ausgewählt: Denn dieses Foto mit dem weißen Spitzenkragen wirkt im Gegensatz zu anderen von ihr überlieferten Aufnahmen erstaunlich brav, fast schülerhaft. Doch Emmy Noether war 1922 schon fast 40 Jahre alt. Obwohl Altersschätzungen immer problematisch sind, wirkt sie auf diesem Foto jedoch jünger, so dass ich vermute, dass es schon um die Zeit ihrer Ankunft 1915 in Göttingen gemacht worden sein könnte. Dafür spricht auch, dass auch fast alle anderen  Fotos in dem Album nicht um 1921/22 entstanden sind, sondern – wie es damals üblich war - aus dem zumeist Jahre zuvor aufgenommenen, auch teilweise andernorts schon veröffentlichten Aufnahmen aus dem Besitz der jeweils Portraitierten stammten.
Vielleicht aber war dieses Foto von Emmy Noether ja auch bewusst oder unbewusst als Reminiszenz an ihre Göttinger Anfänge und den gemeinsam mit Hilbert ausgefochtenen Kampf um ihre Habilitation gemeint.